"Drei Wilde Biester" und viele waghälse

DIEMELSEE- HERINGHAUSEN. Wenn es sein muss, springen Stuntmen mit dem Dreirad über 30 Autos, fallen aus Bürotürmen oder warten bei 30 Grad im Schatten stundenlang darauf, dass sie endlich ein halbes Dutzend Mal am Hubschrauber hängend durch den Diemelsee gezerrt und am Ende mehrmals gegen ein vertäutes Tretboot geschmettert werden dürfen. Aber an diesem Drehtag gibt sich Action-Regisseur Hermann Joha noch damit zufrieden, die Attrappe eines Kampfsoldaten ins Gefecht zu schicken. „Fürs Warten werden wir bezahlt, die Kunst gibt es umsonst”, lautet ein geflügeltes Wort der Filmbranche.

 

Drei wilde Biester retten die Gemeinschaftswährung: Das ist, verkürzt ausgedrückt, die Botschaft, die im Auftrag des Kölner Privatsenders RTL verfilmt wird. „Starke Frauen liegen im Trend” weiß Unternehmenssprecher Franz Rendez Und der Euro bleibt bis auf weiteres auch ein medialer Dauerbrenner. Was liegt also näher, als mit einer solchen Geschichte auf Einschaltquotenjagd zu gehen. Nicht Euro-Zentralbankchef Wim Duisenberg sondern Drehbuchautor Timo Berndt hatte diese Idee. Action- und Dramateil verbindet der Altmeister unter den deutschen Krimi-Regisseuren, Sigi Rothemund („Die Männer vom K3”, „Alles außer Mord”).

 

Umgesetzt wurden die zahlreichen Spektakulär-Szenen am Diemelsee von den renommierten Waghälsen der Kölner Stuntproduktion „actionconcept”. Die haben schon bei den Dreharbeiten für die RTL-Serie „Alarm für Cobra 11” einen Großglockner an Autoschrott produziert.

Hunderte von Schaulustigen beobachteten die kontrollierten Katastrophen am See, die gestern mit dem Sprung eines Motorbootes über die Sperrmauer endeten. Die Rampe dafür hatte eine Gerüstbaufirma aus Rhena gebaut.

 

In Serie sollen die „Drei wilden Biester” Eva Habermann (25), Susann Uplegger (30) und Birgit Stauber (27) später vertrackte Kriminalfälle wie den vom Betrug bei der Euro-Umstellung lösen. An den insgesamt fünf Drehtagen am Diemelsee und vielen weiteren Aufnahmen auf schmutzigen Industriegeländen und in düsteren Fabrikhallen entstehen die Szenen für den 90 Minuten langen Pilotfilm. Nach dessen Ausstrahlung werde dann endgültig über die Serienreife entschieden, erklärt Rendez. Geht alles gut, dann kommt der Streifen noch im Herbst dieses Jahres ins Fernsehen und die Staffel startet im Herbst 2002.

 

„Diese Location hat unser Produzent entdeckt. Beim Drüberfliegen hat er sich in den Diemelsee verliebt”, berichtet Producerin Melanie Mohr. Wenigstens genauso ausschlaggebend waren sicher praktische Gründe. Weil die Talsperre nicht zur Trinkwassergewinnung dient, sind die für derlei technikdominierte Dreharbeiten nötigen Genehmigungen schneller als anderswo eingeholt. Allerdings lobt Melanie Mohr auch die örtlichen Behörden: „Wenn das nur überall so gut klappen würde...”.

 

Für anderthalb unsichere Stunden erscheint der Aufwand immens. Der Filmtross umfasst locker 100 Leute. Für zwei Hubschrauber, eine Hand voll Boote, getürkte Streifenwagen, eine ganze Lasterflotte, Gabelstapler und den Catering-Anhänger reicht der komplette Parkplatz am Heringhäuser Strandbad so gerade eben.

Maximal sind bis zu 16 Kameras im Einsatz, darunter auch solche, die, eingebaut in feuer- wie wasserfeste und zerstörungssichere Boxen, jedes Unglück überstehen. „Über Kosten reden wir nicht gerne”, sagt Rendez. Verständlich. Aber solange der Zuschauer noch diesen kleinen Unterschied zwischen computeranimierter Darstellung und echten Stunts bemerken kann, solange werde man auch noch diesen Aufwand betreiben müssen. Mit 1,5 Millionen Mark fördert die Filmstiftung Nordrhein-Westfalen das Projekt.

 

Der Star der Produktion ist die 25- jährige Eva Habermann. Sie begann ihre Fernsehkarriere bei Pumuckl TV, spielte in Serien wie „Strandclique" und Rosamunde-Pilcher-Verfilmungen mit. Nächsten Sonntag ist sie als eine von „Zwei Schwestern” im ZDF zu sehen.

 

„Nur ballern reicht nicht. Die Zuschauer müssen Figuren ins Herz schließen können, sonst funktioniert das nicht”, meinen die beiden anderen Biester, die Actionserienerfahrenen Schauspielerinnen Susann Uplegger und Birgit Stauber.

 

Wie der Name schon suggerieren soll, zu dritt sind sie für den anderen, nicht technikorientierten Teil der Männerphantasien zuständig. Von starken Frauen hat die Kampfsportlerin Birgit Stauber, die nach dem Dreh zum Reiten nach Südfrankreich fährt, allerdings ihre eigene Vorstellung: „Stark zu sein, heißt vor allem auch, Schwächen zugeben zu können.”

 

Von Thomas Kobbe (Auschnitt aus der Waldeckischen Landeszeitung vom 02.08.2001)